Sonstige Begründung: Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) i. V. m. Abs. 6 VgV kann ein Auftrag ohne vorherigen
Wettbewerb vergeben werden, wenn aus techn. Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist,
es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb
nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.
Dies ist hier der Fall: Technische Gründe können auch zurückzuführen sein auf konkrete
Anforderungen an die Interoperabilität, die erfüllt sein müssen, um das Funktionieren
der zu beschaffenden Leistungen zu gewährleisten (Erwägungsgrund 50 der Richtlinie
2014/24/EU; OLG Celle, Beschl. v. 09.11.2021 - 13 Verg 9/21; Pünder/Schellenberg,
Vergaberecht, § 14 VgV Rn. 62). Bei dem zu beauftragten Entscheidungsunterstützungssystem
handelt es sich um ein Subsystem des bereits vorhandenen KIS. Jenes KIS wurde seinerzeit
von der Dedalus Healthcare GmbH beschafft und wird an sämtlichen Standorten der Auftraggeberin
umfassend in den klinischen Bereichen eingesetzt. Orbis stellt die rechtssichere Dokumentation
der Behandlung sicher und stellt klar, dass alle datenschutzrechtlichen Anforderungen
eingehalten werden. Hierzu werden bei der AG alle Systeme, die zur Diagnose, Therapie
und Dokumentation eingesetzt werden, als tiefenintegrierte Systeme betrieben. Sicherheitsfunktionen
wie Single Sign On, Fallsperre, VIP Modus werden über Orbis gesteuert. Das bedeutet,
der Mitarbeiter der AG arbeitet ausschließlich über Orbis. Dies bedeutet, alle Zusatzfunktionen
müssen über proprietäre Schnittstellen direkt mit Orbis kommunizieren. Die Schnittstellen
müssen bi-direktional funktionieren, damit Orbis Aufrufe starten und Daten einblenden
kann, Informationen übertragen werden und auch aus den Funktionen heraus wieder in
Orbis automatisiert gespeichert werden. Ebenso müssen alle Daten in den verschiedenen
Systemen über das Orbis System integriert archiviert werden. Eine Anbindung über externe
Schnittstellen ist nicht möglich, da die hohen Sicherheitsanforderungen Datenschutz
/ Versorgungssicherheit nicht über Standard-Protokolle abgedeckt werden können, weil
hier die Systeme nicht innerhalb eines Verarbeitungsvorgang kommunizieren, sondern
immer nur über definierte Start- und Endpunkte. Die angestrebte Integrationstiefe
ist vorliegend besonders wichtig und eine notwendige Voraussetzung für den sicheren
Betrieb einer IT-Unterstützung im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)
sowie zur Sicherstellung des Zugriffs auf korrekte, arzneimittelbezogene Daten eines
Patienten über den Gesamtprozess. Orbis als Hauptsystem ist zudem ein Medizinprodukt.
Dies ergibt sich aus der Regel 11 im Anhang 8 der MDR (EU Verordnung 2017/745). Alle
Funktionen müssen den Prüfkriterien des Hauptsystems unterworfen werden und entsprechende
Zertifizierungen für die Funktionsweise von Orbis vorweisen können. Dies gilt nicht
nur für die Erstanbindung, sondern vielmehr für alle Updates und für alle Änderungen
im Fehlerfall. Nicht zertifizierte Änderungen können dazu führen, dass der Status
Medizinprodukt des Gesamtsystems Orbis nicht aufrechterhalten wird, was wesentliche
Risiken in der Patientensicherheit und auch in der Haftung bedeutet. Über die standardisierten
Schnittstellen ist es nicht möglich, ein Fremdsystem so anzubinden, dass die Daten
syntaktisch und semantisch interoperabel ausgetauscht werden können. Eine vergleichbare
Integrationstiefe eines Drittsystems ist damit nicht möglich. Nach alledem ist aus
technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden. Vor dem Hintergrund einer vorab durchgeführten
Markterkundung greift zudem das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV nicht.